Schweizer Mode unmaskiert

Die Gesichter der Schweizer Mode machen brillante Miene zum nicht ganz einfachen Spiel:

Wie die Designer an der «Mode Suisse» für lachende Augen sorgen.


Man könnte meinen, (nasen-)beklemmende Schutzmasken seien der Nährboden für Modemüdigkeit. Dass das Gegenteil der Fall ist, zeigte die 18. Edition der «Mode Suisse». Wie ein Weckruf wirkte die Einladung an die Fashionszene: Sich endlich aus dem auferlegten «Versteck» wagen, wo optische Vorzeigbarkeit monatelang eine untergeordnete Rolle spielte. Eine wahre Freude, diese Bequemlichkeit abzulegen und mit dem nötigen Abstand zu erkunden, was die Designer in ihren (Home-)Ateliers kreiert haben.


Stoff für Sehnsüchte: Die grossherzigen Couture-Gewänder des Tessiners Giancarlo Bello wirken wie Relikte aus unbeschwerten Tagen, als Bälle und Hochzeiten noch selbstverständlich waren …


Die Bühne, welche die «Mode Suisse» den Modemacherinnen bietet, mag nun räumlich kleiner sein, nicht aber ideell: Unter der Ägide von Yannick Aellen versammelt die Event-Reihe seit rund neun Jahren die vielversprechendsten Labels des Landes und ermöglicht ihnen, ihr Schaffen in ein Schaufenster zu stellen, viel beachtet durch Einkäufer,

Kunden und Kritiker.



Dieses «Schaufenster» ist zwar, ohne klassischen Runway, redimensioniert, jedoch intimer. In der Location – hyper-zeitgeistig in einem Zürcher Coworking-Space – fühlte man sich geborgen wie an einer Home-Party unter, zumindest halbwegs, vertrauten Gesichtern. Selten hatte man beim Begrüssen öfter das Gefühl, man würde sich herzen, wenn es denn ginge … Virtuelle Möglichkeiten ersetzen weder das Zwischenmenschliche noch die Präsentation von Mode. Man will sie einfach hemmungslos anfassen, die wallenden Roben von Roland Rahal, der sich zum zweiten Mal mit Veronica Antonucci verkettet hat – im wahrsten Sinn: Eines der Key-Pieces der Kollaboration ist eine feingliedrige Körperkette, welche die Bieler Schmuckdesignerin in fünfzig Arbeitsstunden handfertigte. Die Begriffe «Reset, Reimagine, Reinvent» des Kollektionstitels scheint der Designer allen ans Herz legen zu wollen, indem er sie in schillernden Lettern an Ausschnitte seiner Kleider in optimismusgetränkter Farbpalette appliziert. «Sich neu erfinden» lautete die Prämisse ebenfalls bei «Kandahar»: An der «Mode Suisse» enthüllte die traditionsreiche Thuner Schuhmanufaktur ihr blutjunges Label «KDH1932». Mit «Concept»-Entwürfen verlässt «Chief Virtuoso» Mariano Sulmoni das Klassische und begibt sich auf Wanderschaft zum Kultigen: Mit ledernen Overknees, geziert von typografischen Schriftzügen, berüschten Regenbogen-Boots oder Modellen aus Kuhfell mit aufwendig handgeschnitzter Holzsohle. Mariano Sulmoni versteht es, die Gratwanderung zu begehen, dass Schuhe ihren Grundzweck erfüllen, darüber hinaus aber eine Showeinlage für sich sind.


Auch Nina Yuun hat für ihre neusten Looks vieles überdacht, allem voran das System von «Fast Fashion»: Sie verpflichtet sich zu einem Null-Abfall-Ansatz. Die Schnittmuster legt sie so aus, dass sie den Stoff vollständig aufbraucht, zum Beispiel für ihre gewellten Riemen- und Gürteldetails, und sie bietet gar Studio-Teile aus aufgearbeiteten Business-Hemden an. Dies ist Ausdruck davon, dass die Designerin die wertvollen Ressourcen für die kommende Generation erhalten und stärken will – eine Generation, zu der auch ihr kürzlich geborener Sohn zählt. Nach ihm hat sie ihre vierte Kollektion benannt: «Bada», was in ihrer Muttersprache Koreanisch «Meer» bedeutet. Über die Zukunft von Mode und deren Zeigearten hat man in den letzten Wochen breit debattiert. Yannick Aellen hat neue Formen dafür gefunden, ohne dem Wesen der Plattform eine Maskerade aufzusetzen: Die «Mode Suisse» fördert hiesige Talente – und motiviert Designempfängliche womöglich dazu, voluminöse Puffärmel und fluoreszierende Statement-Ohrringe auch einfach zu Hause anzuziehen.


«Mode Suisse» veranstaltet Showrooms mit ausgewählten Schweizer Labels in Paris (2.-5.10.)

und in Genf (19.–21.11.). Tickets via: info@modesuisse.com

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